Wie man Körper- und Charaktersprache beim Schreiben einsetzt

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Nachdem wir in diesem Beitrag hier gelernt haben, wie ihr Charaktere für eure Geschichte erschafft und besonders, nachdem ich euch in dem Beitrag am Ende empfohlen habe, eure Charaktere durchs Schreiben kennen zu lernen, halte ich es nur für angemessen, euch heute mal ein paar Tipps für das Schreiben eurer Charaktere zu geben. Nicht, dass der erwähnte Artikel da keine grandiosen Ansätze hat, aber heute geht es mir besonders darum, wie man einen Charakter wirklich schreibt.
Und was braucht man dazu besonders? Genau, seine ganz eigene Körper- und Charaktersprache! (Die des Charakters, nicht eure. Eure ist aber bestimmt auch sehr interessant.)

Was meine ich mit Körper- und Charaktersprache?

Na ja. Es ist nicht allzu kompliziert. „Körpersprache“ sollte nun wirklich jedem ein Begriff sein. Wie bewegt der Charakter sich? Gestikuliert er viel? Wenig? Aber auch: Wie reagiert der Charakter körperlich auf bestimmte Emotionen und Situationen?
„Charaktersprache“ dagegen ist vielleicht ein wenig abstrakter, wobei ich davon ausgehe, dass ihr wisst, was gemeint ist. Wie spricht der Charakter? Was für Worte benutzt er? So etwas.

Die unumgängliche Gegebenheit des Nicht-Gleichseins

Bitte was?

Ganz simpel: Nicht jeder eurer Charaktere sollte gleich sein. Kein Mensch ist wie der andere. Jeder spricht auf seine eigene Art und Weise, jeder bewegt sich auf seine eigene Art und Weise.
Wenn ihr in eurer Geschichte ein Stück Dialog schreibt und jeder einzelne Charakter diesen Satz hätte sagen können, ist das ein schlechtes Zeichen. Natürlich gibt es so basic-Sätze wie „Guten Tag“, aber ich kann euch schwören, dass nicht jeder Mensch dieser Welt diese Begrüßung wählen würde.
Da fängt es schon an. Ruft euch mal ein paar verschiedene Leute ins Gedächtnis, die ihr so kennt. Wie begrüßen diese Menschen euch für gewöhnlich? Vielleicht wählt der eine so etwas wie „Moin“, jemand anderes dagegen nutzt bestimmt gerne das einfache „Hallo“.
Es wird deutlich: Wenn ihr wollt, dass eure Charaktere realistisch wirken, brauchen sie ihre eigenen Arten zu sprechen und sich auszudrücken.

Ich gebe euch einfach mal ein Beispiel aus meinen eigenen Reihen: Juby aus meiner Geschichte Molintery Warriors.
Juby ist ein relativ junges Mädchen, das sehr, sehr, sehr… sehr viel Energie besitzt. Eine äußerst einnehmende Persönlichkeit. Sie liebt kuriose Ausdrücke, die Internet-Kultur und ist generell ein eher… schrulliger Typ. Sie nimmt sich selbst nicht zu ernst und sieht jeden wildfremden Menschen als neuen Freund an.
Nun stellt euch so eine Person vor, die euch ruhig und förmlich mit einem „Schönen guten Abend“ begrüßt. Passt nicht, oder?

Wie ein Mensch sich ausdrückt, hat oft mit seinem Hintergrund und mit seiner Persönlichkeit zu tun.
Ist jemand in einem sehr formellen Umfeld aufgewachsen, wird er sich vermutlich ebenso formell artikulieren. So hat jemand mit Akademikereltern und sieben Doktortiteln vermutlich eine eher hochgestochene Ausdrucksweise, während jemand aus der Mittelschicht und einer relativ „normalen“ Laufbahn wahrscheinlich so redet, wie die meisten reden. Ohne schicke Fachausdrücke, die ihr unbedingt in euer Schreiben einbauen möchtet, weil ihr sie vor zwei Minuten auf Thesaurus gelernt habt. Tut es nicht. Spart euch die für eure Bourgeoisie-Charaktere auf.

Mit der Körpersprache müsst ihr es da etwas weniger ernst nehmen. Viele Menschen entwickeln einfach kleine Marotten, häufig ist das völlig unabhängig von der jeweiligen Persönlichkeit.
So kaut mein Charakter Vein auf seinem Daumennagel herum, wenn er nervös ist, was Juby schon mal nicht machen könnte, weil sie mit ihren Händen immer viel zu beschäftigt ist und damit irgendwelchen Leuten im Gesicht rumwedeln muss, die am liebsten fliehen würden.

Dennoch ist es natürlich wichtig zu wissen, wie euer Charakter seinen Körper beim Sprechen bewegt. Juby gestikuliert viel, Vein nicht. Das gibt dem Charakter dieses gewisse Etwas, das ihn besonders macht.
Oder auch: MACHT EURE CHARAKTERE NICHT ALLE GLEICH. Danke.

Die Rahmenbedingungen

Besonders die Körpersprache eines Menschen hängt natürlich stark von den gegebenen Rahmenbedingungen ab, in denen er sich befindet. So gestikuliere ich selbst sehr viel, wenn ich mit Leuten rede, die ich gut kenne und denen ich vertraue. Aber sobald ich mich in einem seriösen Gespräch befinde und nervös werde, bleiben meine Hände im Schoß liegen und es wird an den Fingernägeln herumgeknibbelt.
So verhält es sich sowohl mit der Körper- als auch mit der Charaktersprache. Selbst Juby hat genug Weitsicht, in einem Vorstellungsgespräch keine Worte wie „Dude“ auszupacken.

Aber da ich bekanntermaßen ein absoluter Philanthrop bin, habe ich hier noch eine nette Liste für euch:

Natürliche Körperreaktionen

Wie kann der Körper auf Wut reagieren?

  • erhöhter Herzschlag
  • geballte Fäuste (aggressiv)
  • verschränkte Arme (defensiv)
  • aufeinandergepresste Zähne
  • aufeinandergepresste Lippen
  • rotes Gesicht
  • Tränenfluss
  • zusammengezogene Augenbrauen

Wie kann der Körper auf Traurigkeit reagieren?

  • Tränenfluss
  • um den eigenen Körper geschlungene Arme
  • zitternde Unterlippe
  • hochgezogene Schultern
  • schlaffe/eingeigelte Körperhaltung
  • vermiedener Augenkontakt
  • brüchige Stimme

Wie kann der Körper auf Freude reagieren?

  • offene Körpersprache an sich (ausladend gestikulieren, breitbeinig stehen, …)
  • gerade stehen („sich groß machen“)
  • lachen
  • lächeln
  • seltenes/ruhiges Blinzeln

Gern geschehen.

Du bist nicht der Standard

Tut mir leid, es euch so mitteilen zu müssen, aber… ihr seid nicht das Vorbild der Welt. Nicht jeder bewegt sich so, wie ihr es tut, nicht jeder redet so, wie ihr es tut.

Besonders das mit dem Reden müsst ihr euch hinter die Ohren schreiben. Auch ich habe noch große Probleme damit, meine eigenen Sprechmarotten nicht zu denen meiner Charaktere zu machen. Nutzt ihr viele Füllworte wie „irgendwie“, „halt“, „ja“ und lasst die auch jeden einzelnen eurer Charaktere benutzen, werden sie letztlich alle gleich klingen.

Beim ersten Niederschreiben der Szene ist das noch okay, aber spätestens, sobald ihr sie editiert, müsst ihr das in Angriff nehmen und alles, was ihr selbst gesagt habt (und nicht euer Charakter), herausnehmen. Mit etwas Übung sollte euch das ganz leicht fallen.
Spaßig ist es natürlich, euren Charakteren ihre eigenen Füllworte und Sprechmarotten zu geben. Vein zum Beispiel nutzt gerne „irgend-„-Formen. Andere Charaktere reden vielleicht in ewig langen Sätzen. Oder in sehr kurzen. Manche benutzen gerne Ellipsen. Andere nicht.
Wie ich immer wieder und auch sehr gerne betone: Habt einfach Spaß damit, bis der Spaß sich zu gewissen Regeln formt.

Und was macht Spaß? Genau, schreiben macht Spaß. Zumindest sollte es das, wenn ihr eine Karriere als Schriftsteller anstrebt. Sonst habt ihr vielleicht den falschen Beruf ins Auge gefasst.
Jedenfalls: Übt! Schreibt! Wie ich auch in meinem Post über das Erstellen von Charakteren erklärt habe, wird es euch am meisten helfen, das Schreiben eurer Charaktere übers… na ja, Schreiben zu lernen.
Um die Charaktersprache zu üben, empfehle ich eine Übung, die mir persönlich sehr viel Freude bereitet: Eine Kurzgeschichte schreiben, die nur aus Dialogen besteht. (Vielleicht klappt ja auch das Gegenteil, eine Kurzgeschichte ganz ohne Dialoge zu schreiben, wenn man die Körpersprache üben will?)
Jedenfalls wählt ihr einige eurer Charaktere und schreibt ein Gespräch zwischen ihnen. Das Gespräch kann natürlich handeln, wovon ihr wollt. Wenn ihr es gut anstellt, sollte ein Außenstehender, der natürlich eure Charaktere ein Stück weit kennt, in der Lage sein, auch ohne Erzähler jedes Stück Dialog dem Charakter zuzuordnen, der es äußert.

Seid ihr noch nicht so vertraut mit den Stimmen eurer Figuren, empfehle ich euch, jedem Charakter eine bestimmte Farbe zuzuordnen und die jeweiligen Dialogstückchen mit den dazugehörigen Farben zu unterlegen. Dann könnt ihr ohne Druck erstmal üben.
Ich persönlich habe in meinem Notizbuch zu Molintery Warriors eine kleine Liste mit den auffälligsten Sprach-Marotten meiner Charaktere. Hilfsstützen sind nie verkehrt.

Eine Zusammenfassung für Besucher der vierten Terrasse des Läuterungsberges

  • Definition Körper-/Charaktersprache
    • Körpersprache: Wie ein Charakter sich für gewöhnlich oder auch in gewissen Situationen bewegt
    • Charaktersprache: Wie ein Charakter sich für gewöhnlich oder auch in gewissen Situationen artikuliert
  • Unterschiede zwischen Charakteren
    • Nicht alle Menschen bewegen sich gleich und drücken sich gleich aus
    • Wie jemand spricht hat häufig mit seiner Vergangenheit und seiner Persönlichkeit zu tun
  • Rahmenbedingungen
    • Je nach Situation verhalten Menschen sich anders
    • Eine Liste mit verschiedenen körperlichen Reaktionen auf Emotionen findet ihr oben, die kopiere ich hier nicht extra hin, nur weil ihr faule Socken seid!
  • Du. Bist. Nicht. Der. Standard!
    • Deine eigene Art und Weise zu sprechen muss einen möglichst großen Abstand zur jeweiligen Charaktersprache deiner Figuren haben
    • Übertrage deine eigenen „Sprechmarotten“ nicht auf deine Charaktere
    • Du darfst sehr gerne deinen Charakteren ihre eigenen, persönlichen Sprechmarotten geben, die nicht deine sind

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Jennüüü

    Oh mein Gott! Ich glaube alle meine Charaktere klingen gleich! Das muss ich uuuunbedingt ändern!

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