Einer meiner größten Albträume. Szenenbeschreibungen. Und ich denke, dass viele sich mir da anschließen können.
Szenenbeschreibungen sind zwar schön und gut und natürlich auch notwendig, aber meine Güte, sind sie manchmal langweilig zu schreiben. Man will den Lesern einfach nur diesen einen tollen Kampf zwischen dem Protagonisten und seinem Erzfeind zeigen, aber nee, nee, vorher müssen wir noch erwähnen, wie kalt es ist, dass die beiden sich gerade in irgendeiner Lagerhalle in wo auch immer befinden und natürlich, dass an der Wand eine Uhr hängt, die dann nie wieder erwähnt wird.
Ich beneide ernsthaft die Leute, die sich gerne um die Szenenbeschreibungen in ihren Büchern kümmern.
Zum Glück habe aber auch ich es inzwischen geschafft, sie nicht mehr als meinen allergrößten Erzfeind zu betrachten. Hat gedauert.
Aber hey! Gerade durch meinen Hass auf diesen Aspekt des Schreibens habe ich einige nützliche Beobachtungen gemacht, die ich euch heute als Tipps präsentiere. Irgendwie muss man sich ja helfen.
Ihr schreibt für die Leser
Quelle surprise, ich weiß. Aber ich habe das Gefühl, dass viele Autoren sich diesem Umstand nur so halb bewusst sind.
Hier mal ganz knapp: Die Leser wissen nur das, was ihr ihnen mitteilt.
Das bedeutet, dass ihr eure gewaltige Fantasy-Welt beim Schreiben selbstverständlich so detailreich vor eurem inneren Auge habt, wie ihr sie euch ausgedacht habt. Aber wenn ihr eure Szene nun beispielsweise in einer Bar in dieser Fantasy-Welt spielen lasst und dem Leser nicht erzählt, dass es darin aus welchen Fantasy-Gründen auch immer einen radioaktiv verseuchten Pool gibt, in dem eure Protagonisten im Verlauf der Szene baden, wird er extrem verwirrt sein.
Das Beispiel mag etwas sehr skurril sein. Nun gut, Moment.
Nehmen wir an, euer Buch hat bisher im Sommer gespielt und nun gab es einen Zeitsprung, von dem euer Leser nicht weiß, wie groß er eigentlich war. Euch ist natürlich ganz klar, dass es jetzt Januar ist, weil ihr euch das halt so ausgedacht habt.
Spaziert euer Protagonist jetzt aber plötzlich mit seiner Freundin durch den Wald und wird aus dem Nichts mit einem Schneeball abgeworfen, katapultiert das die Leser sofort aus der Szene, wenn ihr vorher nicht vielleicht mal den frischen Schnee am Wegrand erwähnt oder irgendetwas, das klar macht, dass es jetzt Winter ist.
Verwirrt einfach nicht eure Leser. Das ist es, was ich hiermit ausdrücken will. Wird diese Ampel am Ende der Straße im Verlauf der Szene wichtig sein? Dann erwähnt sie am Anfang kurz in der Szenenbeschreibung. Es ist kein Hexenwerk.
Dazu muss ich übrigens noch kurz über Tschechows Gewehr sprechen.
Wer das Prinzip „Tschechows Gewehr“ nicht kennt, kann sich gerne diesen Beitrag auf der Website TV Tropes durchlesen, aber hier nochmal in ganz kurz:
Eigentlich besagt das Prinzip „Tschechows Gewehr“, dass man keine überflüssigen oder unnötigen Dinge in eine Geschichte einbauen soll, wie zum Beispiel ein Gewehr, das letztendlich doch nie abgefeuert wird.
Heutzutage (beziehungsweise von vielen Menschen) wird es aber meistens benutzt, um auszudrücken, dass gewisse Dinge oder Aspekte einer Geschichte vorgestellt werden, um später benutzt zu werden. Das Gewehr wird im ersten Akt vorgestellt und im letzten abgefeuert. Das nennt man im Englischen auch „foreshadowing“, also „Vorausdeutung“.
Haltet euch einfach an beide Interpretationen von Tschechows Gewehr, okay?
Na klar könnt ihr Schnee am Wegrand erwähnen, um eine Atmosphäre zu erzeugen. Ich will jetzt nicht sagen, dass aus jedem Schneehaufen ein Schneeball werden muss. Aber haut nicht immer zu viele unwichtige Beschreibungen raus, nur um jedes Detail der Umgebung zu schildern. Ich habe noch nie eine gute Szenenbeschreibung gelesen, die zwei Seiten lang war.
Generell gilt Tschechows Gewehr nicht nur für Szenenbeschreibungen, sondern auch für die gesamte Geschichte. Foreshadowing ist in jeder Geschichte wichtig, aber auch in einzelnen Szenen könnt ihr durch kleine Erwähnungen in der Szenenbeschreibung ein bisschen Foreshadowing einbauen.
Nutzt einfach Tschechows Gewehr. (Symbolisch. Bitte erschießt niemanden.) Es ist wichtig. Es ist schön.
Prioritäten der Szenenbeschreibung
Ich wollte den ersten Tipp jetzt nicht so klingen lassen, als müsstet ihr die Szene immer komplett am Anfang durchhauen und könntet erst danach mit der Action starten. Das ist nämlich nicht der Fall.
Ein großes Problem ist es nur, wenn ihr nicht wisst, wie ihr die Szenenbeschreibung wirksam und angenehm über die Szene zerstückelt verteilt.
Der Ratschlag, den ich euch in der Hinsicht geben kann, lautet: Lasst die Leser die Szene mit eurem Protagonisten zusammen entdecken.
Einem echten Menschen, der sich irgendwo befindet, wird vermutlich zuerst auffallen, dass es Nacht ist und dass er auf einer Wiese steht, bevor er bemerkt, dass Glühwürmchen über besagte Wiese fliegen.
Das meine ich mit Prioritäten.
Kümmert euch um alles Wichtige am Anfang der Szenenbeschreibung, dann könnt ihr euch im Verlauf der Szene den marginaleren Dingen widmen.
Erwähnt ihr erst in der Mitte des Kapitels beiläufig, dass es nachts ist, wofür es vorher eventuell keine Anhaltspunkte gab, wird das die Leser gewaltig aus der Bahn werfen und somit auch aus der Szene. Was wir immer möglichst vermeiden wollen.
Euer Protagonist
Der Charakter, mit dem die Leser die Szene zusammen erleben, ist vermutlich euer Protagonist oder einer eurer Protagonisten.
Wie ich eben sagte, lasst die Leser die Szene mit diesem Protagonisten zusammen entdecken, was zum einen natürlich den logischen Aspekt meint, dass einem realen Menschen triviale Dinge wie die Tageszeit eher bewusst sind als ein Uhrenticken, das ganz langsam lauter wird und für eure Szene in dem Moment vielleicht sogar eigentlich interessanter ist.
Aber! Nicht nur das verbindet die Wahrnehmung eures Hauptcharakters mit der Szenenbeschreibung, sondern auch einfach die Art und Weise, wie er sie erfährt.
So beschreibt ihr natürlich, was euer Charakter sieht und hört und natürlich auch riecht, fühlt und vielleicht sogar schmeckt, aber bedenkt auch immer, wie er diese Dinge empfindet. Wie wirkt der Geruch von frischem Schnee auf euren Protagonisten? Findet er ihn angenehm und erfreut sich an ihm oder ist er ihm zuwider, weil er ihn vielleicht an kalte, einsame Tage erinnert?
Ihr solltet jede Chance nutzen, eure Leser mit dem Protagonisten eurer Geschichte mitfühlen zu lassen und gerade Szenenbeschreibungen sind dafür sehr geeignet.
Wobei hier natürlich – wie so oft – gilt: „Show, don’t tell„. Erklärt dem Leser nicht einfach, dass die Sonne scheint und dass euer Protagonist das doof findet, weil er ständig Sonnenbrand kriegt. Schmückt das ein bisschen aus. Zeigt es dem Leser. Wenn ihr Genaueres zum Thema lesen wollt, klickt gerne auf den Link zu meinem Beitrag dazu.
Unvertrautes statt Vertrautes
„Aber was soll ich denn nun in eine Szenenbeschreibung einbringen?“, fragen jetzt verzweifelte Leser dieses Beitrags. Natürlich alles, was relevant für die Szene ist, entweder weil es von den Charakteren genutzt wird, weil es zum Verständnis der Umgebung beiträgt oder weil es in die Atmosphäre einspielt.
Was ich euch aber auch besonders ans Herz legen kann: Beschreibt das Unvertraute, das, was die Leser nicht kennen, und nicht das bereits Vertraute. Zumindest nicht im unnötig großen Detail. Ihr müsst nicht erwähnen, dass der Schnee weiß ist, aber vielleicht solltet ihr das futuristische Weltraum-Alien-Maschinengewehr etwas näher erläutern.
Ein freundlicher Tipp zum Abschluss
Hat wenig mit „Szenenbeschreibung“ zu tun, aber bedenke immer alle Charaktere, die sich in einer Szene befinden. Viele Schreiberlinge packen gerne all ihre Charaktere zusammen in eine Szene und sieben davon rühren sich dann im gesamten Verlauf keinen einzigen Zentimeter.
Wenn ein Charakter sich in einer Szene befindet, sollte er auch etwas machen.
Wenn dir nichts einfällt, was er machen kann, nimm ihn doch einfach raus und beschäftige ihn anderweitig. Wird ihm schon nicht wehtun.
Eine Zusammenfassung für Besucher der vierten Terrasse des Läuterungsberges
- Schreibt für die Leser
- Die Leser wissen nur, was ihnen gesagt wird
- Bedenkt Tschechows Gewehr: Erwähnt nichts mit übertriebener Wichtigkeit, nur um es dann nie wieder einzubringen
- Setzt Prioritäten
- Verteilt die Szenenbeschreibung über die Szene, haut nicht alles am Anfang raus
- Beschreibt am Anfang das Wichtige/Große, später das Unwichtigere/Kleine
- Lasst die Leser die Szene mit dem Protagonisten zusammen entdecken
- Teilt den Lesern mit, wie die Szene/Umgebung auf euren Charakter wirkt, beschreibt sie nicht nur
- Beschreibt den Lesern Unvertrautes detaillierter als bereits Vertrautes
- Alle Charaktere, die sich in einer Szene befinden, sollten auch etwas tun