Wie ihr Todesszenen schreibt, die eure Leser berühren

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Vor Urzeiten (im Juni) habe ich mal einen Beitrag darüber verfasst, wie ihr eure Charaktere töten solltet. Alles schön und gut, aber das sagt euch jetzt irgendwie noch nicht, wie genau ihr die Todesszenen gestalten und schreiben solltet. Was ja durchaus ein wichtiger Aspekt ist. Würde ich zumindest sagen.

Dennoch empfehle ich euch, zuerst mal den Juni-Beitrag zu lesen, bevor ihr euch diesen hier zu Gemüte führt. Wäre dann ja auch die chronologische Reihenfolge. Und in diesem Haus stehen wir auf chronologische Reihenfolgen. Ihr würdet ja auch keine Buchreihe in der falschen Reihenfolge lesen. Würdet ihr doch nicht, oder? Oder?

Wo war ich? Richtig, Todesszenen. Die können durchaus tricky zu schreiben sein, aber mit meiner professionellen (das war ein Witz) Hilfe sollte es euch nicht allzu schwer fallen. Wobei jede Todesszene anders ist und falls ihr spezifische Fragen habt, habe ich selbstverständlich ein offenes Ohr für euch.

Unterschiedliche Handlungen bringen unterschiedliche Tode

Betrachten wir es doch mal ganz nüchtern.

Ihr schreibt vielleicht einen guten, alten Romantasy-Roman, der in einer Welt spielt, die ihr euch mit Hilfe meiner Tipps zum Worldbuilding ganz wunderbar ausgedacht habt. Sie basiert auf dem mittelalterlichen Europa, denn sind wir mal ehrlich, tun sie das nicht alle? Es gibt Schlösser, Rösser und … Mösser? Reimt sich noch was auf Schlösser?

So. In dieser Geschichte stirbt nun möglicherweise die Mutter des Protagonisten, aus welchem Grund auch immer. Aber es ist doch irgendwie immer so, nicht?

Schauen wir uns mal das Genre an. Romantasy war es, richtig? Sehr schön.

Dann wird sie möglicherweise von einem bösen Monster angefallen, von einem Krieger mit Pfeil und Bogen perforiert oder vielleicht sogar mit Magie bei lebendigem Leibe verbrannt. Klingt alles recht Fantasy-mäßig, richtig?

Gut, stellen wir uns jetzt aber mal vor, dass plötzlich ein Lastwagen vorbeigefahren kommt und diese Frau überrollt.

Passt nicht ganz so gut, hm?

Bei der Auswahl einer Todesart kommt es immer aufs Genre an, das ihr schreibt. Aber irgendwie sollte es euch ja auch der gesunde Menschenverstand sagen, dass ihr keinen kompletten Abfall raushauen solltet. Andererseits sind die Eltern meiner ersten Protagonistin Sally Shirt durch eine Löwenattacke im Zoo gestorben, was zwar passieren kann, aber was zur Hölle. (Und übrigens war das auch nur eine Fake-Story, denn eigentlich sind ihre Eltern beim Angriff eines bösen Magiers gestorben, also ha!)

Oder auch: Werdet bei der Auswahl der Todesart nicht zu kreativ.

Aber seid auch nicht zu unkreativ, denn besonders wenn ihr viele Charaktere tötet, kann es schnell repetitiv und öde werden, wenn sie allesamt einfach nur auf die gleiche Art und Weise abgestochen werden.

Ach, und außerdem: Wenn ihr viele Charaktere tötet, dann bitte nicht nur Redshirts. Die Leser sollten nicht das Gefühl bekommen, eure Protagonisten seien unverwundbar, nur weil um sie herum alle wegsterben und sie selbst jedes einzelne Mal davonkommen.

Und außerdem Part zwei: Achtet auch auf die Leserschaft, die ihr mit eurem Buch an Land zieht. Wenn ihr ganz normale Bücher für Erwachsene schreibt, müsst ihr nicht so aufmerksam sein. Aber falls ihr nun YA oder Jugendbücher schreibt, solltet ihr bei den Todesszenen auf jeden Fall aufpassen, da die dann natürlich nicht zu brutal oder blutig sein dürfen.

Unterschiedliche Handlungen bringen sehr unterschiedliche Tode

Nope, wir sind noch nicht durch mit dem Thema.

Denn jetzt entfernen wir uns mal von dem großen Ganzen und schauen uns die Details genauer an.

Jede einzelne Todesszene in eurem Buch sollte Gewicht für die Story haben, das haben wir in dem anderen Post schon geklärt. Aber wie hat denn nun auch jede einzelne Todesszene in eurem Buch Gewicht in sich selbst? Wie boxt sie den Lesern in die Eingeweide und entlockt ihnen die süßen, süßen Tränen, die man als Autor so gerne über den Boden fließen sieht? (Oder ist das nur bei mir so?)

Okay, erstens mal: Nicht alle Todesszenen müssen die Leser zum Weinen bringen. Etwas paradox nach meiner vorherigen Aussage, aber dennoch.

Wenn ihr nur einen unwichtigen Nebencharakter umbringt, ist das wohl selbst euch relativ egal. Und warum sollte so ein Tod dann eure Leser emotional großartig mitnehmen? Er hat seinen Job erledigt, lasset uns fortfahren, ohne uns mit ewig langen, übertrieben emotionalen und melodramatischen Szenen aufzuhalten.

Die Wahrheit ist: Ihr müsst das Gewicht, das eine Todesszene innehaben soll, selbst herausfinden. Und damit auch die Art und Weise, wie ihr sie schreiben solltet. Wobei ihr nur den ersten Teil ganz alleine machen müsst, für den anderen habe ich noch ein paar Tipps vorbereitet.

Nehmen wir mal an, ihr tötet einen Charakter durch einen schnellen Stich ins Herz. Es überrascht die Leser, es überrascht eure Charaktere.

In so einem Fall solltet ihr unbedingt davon absehen, den Tod allzu lange zu beschreiben. Er ist schockierend, er geschieht plötzlich und völlig unerwartet – warum dann also lange drumherum reden und die ganze Überraschung zunichtemachen?

„Die scharfe Schneide eines Messers blitzte in seiner Hand auf. Im fahlen Mondlicht glitzerte das Metall silbrig und tanzte zusammen mit den Glühwürmchen, die durch die Luft schwirrten, als würden sie von einem sanften Rhythmus getragen. Ein Keuchen entfuhr unserer Protagonistin, als die Erkenntnis sie traf, und ihr Herz zerbarst bei dem Gedanken an das, was gleich geschehen würde. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, wie damals, als…“

Sorry, bin beim Schreiben eingeschlafen.

Ihr versteht meinen Punkt, oder?

Andererseits geht es auch genau andersrum. Wenn nun die beste Freundin eures Protagonisten und damit ein sehr wichtiger Charakter abgemurkst wird und ihr das in etwa so schreibt, zum Beispiel:

„Er rannte um die Ecke und sah gerade noch, wie ihr ein Messer zwischen die Rippen gesteckt wurde. Der Antagonist lief davon. Unser Protagonist verfolgte und fand ihn im nächsten Raum.“

Hallo??? Würdet ihr unseren Protagonisten bitte ein wenig um seine beste Freundin auf der ganzen Welt trauern lassen? Kann ja sein, dass der Typ in dem Moment noch einige andere wichtige Dinge zu tun hat, aber ein bisschen Erschütterung wäre schon angebracht, findet ihr nicht?

Ihr müsst immer genau wissen, worauf ihr den Fokus legen solltet. Und apropos…

So legt ihr den Fokus an die richtige Stelle

Ah, sehr schön. Es stresst mich immer, wenn ich lange keine Zwischenüberschrift mehr gemacht habe.

Ihr müsst unbedingt das Tempo der Szene anpassen. Eben hattet ihr ja schon einige Paradebeispiele, wie ihr es nicht machen solltet. Aber was ist denn nun der richtige Weg?

Bei Todesszenen gilt: Achtet auf euren Protagonisten (und dessen Emotionen) und auf den sterbenden Charakter.

Ist der Tod langsam und qualvoll? Dann gilt auf jeden Fall das gute alte „show, don’t tell„. Außerdem ist das Tempo der Szene langsam, schleichend. Euer Protagonist sollte jede Wahrnehmung, die er hier hat, voll auskosten müssen, jedes bisschen Leid, das ihm beim Ansehen des Todes halt so ins Herz sägt.

Ist der Tod hingegen schnell und schockierend? Dann beschreibt ihn auf keinen Fall zu genau. Lasst es passieren und dann könnt ihr euch möglicherweise etwas detaillierter um das Danach kümmern. Aber in dem Moment selbst begreift euer Protagonist ja kaum, was abgeht, und so solltet ihr es auch schreiben. Schnell, schlagartig, abrupt.

Bei schockierenden Toden ist auch Foreshadowing nicht gerade angebracht. Wenn eure Leser vorher schon erraten können, dass dieser Charakter gleich draufgeht, ist das immerhin nicht mehr allzu überraschend. Spart euch also das „Ich lege jetzt noch einmal ganz viel Fokus auf diesen einen Charakter, der vorher nie wichtig war, aber irgendwie muss ich die Leser ja dazu bringen, sich emotional mit ihm verbunden zu fühlen“-Kapitel.

Fokus auf den Charakteren

Die Zwischenüberschrift ist hier Programm.

Bei Todesszenen würde ich immer dazu raten, den größten Fokus auf euren Protagonisten und dessen Gefühle und Reaktionen zu legen.

Klar, ihr liebt eure dramatischen Szenenbeschreibungen und wie sich der Glanz der aufgehenden Sonne langsam auf die blasse Haut der Ehefrau eures Hauptcharakters legt, die leblos in seinen Armen schlummert, während die Vögel im Hintergrund eine Klagemelodie zwitschern. Und ein bisschen Szenenbeschreibung ist auch nie verkehrt.

Aber wenn ihr wirklich emotionale Szenen schreiben wollt, dann fokussiert euch auf das, was euer Protagonist denkt und fühlt. Ergibt ja Sinn. Wenn ihr Emotionen haben wollt, müsst ihr auch Emotionen beschreiben.

Und je nachdem, welche Gefühle ihr bei den Lesern hervorrufen wollt, müssen die des Protagonisten natürlich damit übereinstimmen.

Ist er glücklich, weil er endlich den bösen Antagonisten besiegt hat? Ist er traurig und verzweifelt, weil sein Verlobter bei einem Autounfall gestorben ist? Oder fürchtet er sich möglicherweise, weil der Bösewicht gerade mit einem einzigen Zug eine ganze Armee ausgelöscht hat?

Ganz egal, welche Emotion ihr erreichen wollt, es gibt die richtige und die falsche Möglichkeit, die Todesszene aufzubauen.

Wenn ihr Trauer hervorrufen wollt, beschreibt den schmerzhaften Tod nicht in all seinen brutalen Einzelheiten. Erzählt den Lesern nicht, wie die Klinge des Messers unangenehm über den Knochen der besten Freundin unseres Protagonisten knirscht, als sie darauf trifft. Wie das Blut in Strömen aus der Wunde herausfließt und wie der metallische Geruch von Blut unserem Hauptcharakter in die Nase sticht. Das löst keine Trauer aus, sondern höchstens Ekel.

Ganz anders ist das, wenn die Todesszene Angst beim Protagonisten und bei den Lesern auslösen soll. Da ist so ein bisschen Ekel häufig nicht verkehrt, um die Botschaft wirklich rüberzubringen.

Generelle Tipps für Todesszenen

Hört einfach traurige Musik beim Schreiben. #foolproof

Nee, Spaß.

Ich würde sagen, dass es keine „generellen Tipps“ für Todesszenen gibt, da sie alle so wahnsinnig unterschiedlich sind. Aber wenn ich mir was überlegen müsste, das ich euch sagen kann, wäre es: „Überschreibt“ nicht den Tod an sich.

Kein Leser will sich durch Seiten quälen, in denen mit den blumigsten Worten überhaupt ein Mord beschrieben wird. Fokussiert euch stattdessen lieber auf die Reaktionen, die der Tod auslöst. Was fühlt der Hauptcharakter? Was sieht, hört, riecht er?

Generell gilt in den meisten Todesszenen bis zu einem gewissen Grad „show, don’t tell“. Zeigt den Lesern, was der Hauptcharakter fühlt, dann habt ihr die Hälfte schon erledigt.

Eine Zusammenfassung für Besucher der vierten Terrasse des Läuterungsberges

  • Lest erstmal diesen Beitrag hier
  • Je nach Genre solltet ihr andere Todesarten schreiben
  • Je nach Alter der Leser solltet ihr andere Todesszenen schreiben
  • Tötet auch mal Protagonisten und macht die Todesszenen unterschiedlich, tötet nicht alle Charaktere auf dieselbe Art und Weise
  • Schätzt das Gewicht, das eure Todesszene haben soll, ein und schreibt sie entsprechend
    • Falls es nur ein unwichtiger Charakter ist, haltet euch nicht zu lange mit dem Tod auf
    • Ist es ein schneller, schockierender Tod, haltet euch nicht zu lange damit auf
    • Das Gegenteil gilt natürlich für langsame, emotionale Tode
  • Achtet auf die Emotionen und die Reaktion des Protagonisten
    • Die sollten mit den Emotionen und Reaktionen, die ihr bei den Lesern hervorrufen wollt, übereinstimmen

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