In meinem Post „Wie ihr fesselnde Charaktere erschafft“ habe ich den Unterschied zwischen runden und flachen Charakteren angesprochen, aber noch nicht erklärt, was genau diese beiden Arten definiert.
Aber fürchtet euch nicht! Heute ist es endlich soweit. Hier findet ihr endlich die Antwort auf die Frage, die die Menschheit schon seit Äonen beschäftigt: Sind deine Charaktere rund oder flach?
Die Definition
Was zur Hölle ist denn ein „runder“ Charakter? Soll ich einen Kreis mit Gesicht als Protagonisten wählen oder was?
Nee, nicht ganz.
Ein runder Charakter ist ein abgerundeter Charakter, sozusagen. Ein flacher Charakter dagegen ist… na ja, flach und hat keine wirkliche Materie, die ihn besonders (oder eben rund) macht.
Die Charaktere, um die es in eurer Geschichte hauptsächlich gehen soll, müssen unter allen Umständen rund sein, weil niemand (ich betone: NIEMAND) eine Geschichte lesen will, in der es ausschließlich um flache Figuren geht. Euch sollte schnell klar werden, warum dem so ist.
Flache Charaktere
Flache Charaktere sind leicht zu definieren: Sie sind eindimensional. Sie sind flach. Da geht nicht allzu viel vor sich, ehrlich.
Ein flacher Charakter hat keine Persönlichkeit, beziehungsweise meistens nur ein oder zwei Merkmale, die verhindern, dass man ihn ohne größere Schwierigkeiten durch eine emotionslose KI, die mit euren Charakteren spricht, ersetzen könnte.
Außerdem verändern flache Charaktere sich meistens nicht im Verlauf der Handlung, so wie eure Hauptcharaktere das tun. (Allerdings hängt die „Rundheit“ eines Charakters nicht immer mit seiner Fähigkeit zusammen, sich während der Geschichte zu wandeln. Aber meistens gilt: Wie soll ein Mensch ohne ausgeprägte Persönlichkeit besagte Persönlichkeit großartig verändern?)
Flache Charaktere kommen zumeist nur kurz in einer Geschichte vor. Meistens sind sie nur da, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen, bevor sie wieder in den Untiefen der Handlung verschwinden und nie wieder gesehen werden.
Dabei ist zu beachten, dass viele flache Charaktere selbst kein Ziel haben, das sie erfüllen möchten. Der Zweck, den sie in eurer Geschichte erfüllen, hängt also nicht unweigerlich mit der Motivation des Charakters zusammen. (Wobei ich dennoch empfehle, selbst euren flachsten Charakteren irgendeine Art von Ziel zu geben. Ist sonst echt langweilig zu schreiben.)
Da ergibt es natürlich Sinn, dass man sich an diesen Charakteren nicht allzu lange aufhält. Sie brauchen keinen eigenen Mini-Plot, in dem sie den Helden spielen können. Überlasst das lieber euren Protagonisten.
Oder auch: Spielt der Charakter, den wir gerade bearbeiten, keine große Rolle in der Geschichte, warum solltet ihr euch die Mühe machen, ihn wie eine reale Person mit einer realen, ausgearbeiteten Persönlichkeit zu gestalten?
Es ist völlig okay, wenn eure hintersten Hintergrundcharaktere, die nur zum Weiterbringen der Handlung da sind, eher flach sind.
Runde Charaktere
Beschäftigen wir uns nun mit der deutlich wichtigeren Art von Charakteren, den runden.
Runde Charaktere sind solche, die in eurer Geschichte die Hauptrollen übernehmen. (Große Überraschung, nachdem ich das eben schon sieben Mal angemerkt habe, ich weiß.)
Runde Figuren haben eine komplexe Persönlichkeit, eine eigene Art zu denken und zu fühlen. Oder auch: Ihr müsst echt viel Arbeit in diese Charaktere stecken. (Na, zum Glück habe ich diesen Beitrag, der euch ein paar Tipps gibt, die euch bei dieser schwierigen Aufgabe helfen. Mann, was würdet ihr nur ohne mich tun?)
Abgesehen davon, dass runde Charaktere einfach das komplette Gegenteil von flachen sind, lasst mich hier noch einmal genauer auf die Unterschiede eingehen:
Ein runder Charakter hat ein Ziel, eine Motivation, die mit seiner Persönlichkeit und seiner Vergangenheit zusammenhängt. Deshalb braucht er eben auch eine komplexere Persönlichkeit als ein flacher Charakter, sonst wird das mit der Motivation nämlich ganz schön schnell ganz schön eindimensional.
(„Der [hier negatives Adjektiv einfügen] [hier stereotypisch böse Tätigkeit einfügen] will [hier stereotypisch böses Ziel einfügen]“ ist keine Vorlage, die so ausreicht und die ihr für euren Schurken verwenden solltet.)
Runde Charaktere sollten sich anfühlen wie reale Menschen (oder Fabelwesen, Tiere, … . Ihr wisst, was ich meine.)
Sie sollten persönliche Probleme haben, mit denen sie klar kommen müssen, eine ausgefeilte Vergangenheit, die erklärt, warum sie so sind, wie sie sind, und natürlich brauchen sie viele, viele Persönlichkeitsmerkmale. (Ich erwähne das immer wieder gerne, ja.)
Von mir aus macht erst einmal die Sims-Methode und werft einfach fünf beliebige Merkmale zusammen, die euch so einfallen. Bauen wir uns mal flott einen Charakter mit zufällig gewählten Sims 3-Merkmalen:
- Diszipliniert
- Liebt die Natur
- Athletisch
- Workaholic
- Schüchtern
Et voilà! Das ist schon mal deutlich tiefgründiger als die meisten männlichen YA-Love-Interests, die mir so begegnen. Natürlich reicht das so noch nicht, aber es ist schon mal eine Basis. (Wie gesagt: Für mehr Tipps: Dieser Artikel. Go. Klickt ihn an.)
Ich glaube fest daran, dass ihr in der Lage seid, einen möglichst realistischen Charakter zu erstellen. Ihr habt schon Menschen kennengelernt. Ihr wisst, wie sie funktionieren. Ihr schafft das!
Eine Zusammenfassung für Besucher der vierten Terrasse des Läuterungsberges
- Definition
- Rund: „Abgerundeter“ Charakter, ausgereifte Persönlichkeit (die wichtigen Charaktere)
- Flach: Keine ausgereifte Persönlichkeit (Die unwichtigen Charaktere)
- Flache Charaktere
- Wenige Persönlichkeitsmerkmale (eins bis zwei)
- Meist keine Charakterentwicklung (aber muss nicht so sein)
- Erfüllung eines Zwecks
- Runde Charaktere
- Ausgereifte Persönlichkeit mit Stärken, Schwächen, eigener Denkweise und Zielen
- Ausgereifte Vergangenheit
- Meist eine Charakterentwicklung (aber muss nicht so sein)
Oh mein Gott! Ich glaube alle meine Charaktere sind bisher viel zu flach… >.<
Na, zum Glück kannst du dir ja diesen Artikel hier angucken, um deinen Charakteren mehr Tiefe zu verleih- … Okay, ich höre ja schon auf.